IV – Ein Obstmesser aus Grado
[1] Fährt man nach Grado, um ein Obstmesser zu kaufen? Nein, sicher nicht, aber auch in Grado kann man ein Obstmesser kaufen.
[2] Seit 19 Jahren leistet mir ein billiges Obstmesser unverdrossen seine Dienste, beinahe täglich. Ich habe es in den Markthallen von Grado gekauft, und es erinnert mich beinahe täglich an diesen Ort an der Adria, nicht weit von Triest.
[3] Grado war einmal „Altösterreich“, und bis heute wird damit aus touristischen Gründen gerne gespielt. „Grado, der Strand Mitteleuropas“. Solche Plakate werden rezent an der Straße nach Grado aufgehängt.
[4] Es ist also einige Altösterreich-Nostalgie dabei, und auch heute ist es von Wien nach Grado nicht weit, ein paar Stunden Autofahrt.
[5] Die Geschichte des Ortes ist freilich viel älter, es sind vor allem die frühen christlichen Kirchen, von denen immer noch ein eigener Zauber ausgeht. Dieser rührt sicher von der Verwendung antiker Materialien wie etwa Säulen her. Sie sind eingebettet in römische Ausgrabungen, das Lapidarium bietet einige besondere Stücke.
[6] Im alten Ortskern kann man das Überlaufene, das ein Seebad zu bestimmten Jahreszeiten aufbietet, recht gut ausblenden. Denkt man an das nahe Aquilea, ist immer noch die antike Landschaft da, in der Betriebsamkeit der Gegenwart.
[7] Grado war der erste Tripp raus aus der Stadt nach der Übersiedlung vor 19 Jahren nach Wien. Daran erinnert mich das Obstmesser aus Grado, jeden Tag.
Wolfgang Schmale: Mein Haushalt voller europäischer Geschichte – Geschichte Europas anhand privater Gegenstände. IV – Ein Obstmesser aus Grado. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, wolfgangschmale.eu/mein-haushalt-voller-europäischer-geschichte-4, Eintrag 13.08.2018.