logo
  • Home
  • Europa-Tagebuch
  • Das Digitalzeitalter
  • Feuilleton
  • Über mich

Nach zwei Jahren Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine: Hat die EU nun eine Strategie?

Datum: 24 Feb. 2024
Von: Wolfgang Schmale
Tags: EU, Ukraine
Kommentare: Comments are off

Am zweiten Jahrestag des Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine sind die Kampfhandlungen nicht weniger intensiv, sondern intensiver als zuvor. Jeden Tag sterben in der Ukraine Zivilist*innen und Soldat*innen in großer Zahl, die psychischen Schäden und die materiellen Zerstörungen sind wohl immens. Die Ukraine ist derzeit militärisch in der Defensive und sie hat ein Mobilisierungsproblem. Zusätzlich zeichnet sich ein demografisches Problem bereits in der nahen Zukunft ab. Die einzelnen Regionen sind unterschiedlich vom Krieg betroffen, nach wie vor fliehen mehr Ukrainer*innen in andere europäische Länder als zurückkommen. Dennoch ist das Land moralisch stabil, stellt sich mit großer Intelligenz den Herausforderungen und führt Reformen durch, um eher früher als später der EU beitreten zu können.

Niemand kann sagen, wie lange die bisher bewiesene mentale Stärke und Fähigkeit zur Ausdauer wird anhalten können. In der Russischen Föderation herrscht inzwischen blanker Staatsterror, der Zwangs- und Tötungsapparat arbeitet auf Hochtouren, Menschen und Menschenleben zählen überhaupt nichts mehr. Eine Infragestellung des Krieges durch Widerstand von Innen scheint damit auf längere Zeit ausgeschlossen worden zu sein, auch wenn hinter der Fassade der Macht in Moskau weniger Einigkeit herrschen dürfte als nach außen demonstriert wird. Da aber offensichtlich der größere Teil der Bevölkerung den Krieg für gerechtfertigt hält, eröffnen sich dem trotz allem noch vorhandenen Widerstand gegen das Regime von Putin wenig Erfolgsoptionen. Der Krieg wird dauern.

Hat sich die EU strategisch auf diese Situation inzwischen eingestellt? Die Bereitschaft, mehr in die Verteidigung zu investieren, ist gestiegen, der Wille, die Ukraine mit mehr Munition und Waffen zu versorgen, ist da, ebenso der Wille, die EU mehr als bisher auch zur Verteidigungsgemeinschaft auszubauen. Nachdem Forderungen nach einer europäischen Armee im Rahmen der Überlegungen zur europäischen Einigung seit mindestens 100 Jahren auf dem Tisch liegen, sind die Fortschritte diesbezüglich nach wie vor klein. Alles braucht viele Jahre Zeit. Ob diese tatsächlich vorhanden ist, weiß niemand in der Politik so genau.

Man kann einwenden, dass die NATO die traditionsreiche Idee einer europäischen Armee obsolet gemacht habe, aber die Abhängigkeit vom US-amerikanischen Schutzschirm, die damit verbunden ist, könnte sich noch dieses Jahr als fatal erweisen, je nach Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen.

Die langjährigen russischen Bemühungen, durch Falschmeldungen, Einmischungen, klassische Propaganda, Manipulation Sozialer Medien, Cyberattacken etc. „den Westen“ zu destabilisieren, waren zum Glück unterm Strich nicht sehr erfolgreich – wohl aber in konkreten Einzelfällen – aber die EU muss sich darauf einstellen, dass das Regime in Moskau zu härteren, ggf. militärischen Provokationen übergeht.

Mit einer Re-Europäisierung der Russischen Föderation nach dem Ende des Krieges gegen die Ukraine muss niemand rechnen, zu sehr lässt sich das Regime mit China, Nordkorea, dem Iran und anderen Regimen, denen Menschen egal sind, ein, um „den Westen“ aus seinen nach wie vor zahlreichen Schlüsselpositionen zu vertreiben.

Nicht nur der kulturelle Graben zwischen der Ukraine und speziell Russland (was weniger ist als die Föderation) wird breiter und tiefer, sondern auch zwischen Europa und Russland. Die historisch interessante und fruchtbare Frage, inwieweit Russland Europa sei, hat sich erübrigt, sie muss nicht mehr gestellt werden. Die Antwort lautet eindeutig „nein“.

Angesichts dieser Situation sind die Versuche, auf die USA und besonders die Republikaner Druck auszuüben, um die Blockade der Hilfen für die Ukraine, die Präsident Biden geplant hat, und das schädliche abfällige Gerede über die Nato-Partnerländer in Europa zu beenden, viel zu gering und zaghaft. Das kontrastiert mit dem starken Bewusstsein, dass die europäische Demokratie nicht nur zu verteidigen ist, sondern verteidigenswert ist. Der Blick nach innen auf die Probleme in Europa ist geübt und routiniert, eine Anpassung daran, dass es gilt, aggressiver Machtpolitik, die sich eines Krieges bedient, strategisch entgegenzutreten, ist mühsam und zaghaft. Noch immer hält man sich damit auf, sich gegenseitig wegen der Berechnung der Ukraine-Hilfen falsche Rechenmethoden vorzuwerfen, obwohl doch klar ist, dass alles bisher nicht reicht. Es ist befremdlich, dass in der gegebenen Situation die üblichen EU-familiären Hänseleien fortgesetzt werden.

Noch ist die Bewährungsprobe, nicht nach einem Krieg, dem Zweiten Weltkrieg, sondern in einer Kriegssituation europäische Einheit zu praktizieren, nicht bestanden. Der Zweck von „europäischer Einheit“ ist nicht mehr, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, die Länder friedlich zusammenzubringen – das ist durchaus gelungen -, sondern die Einheit als Instrument der Behauptung aller zusammen in einer ziemlich veränderten Welt zu benutzen.

Über den Autor
Wolfgang Schmale ist Historiker und wissenschaftlicher Publizist. Ein Schwerpunkt ist die Europaforschung.
Teilen
  • google-share

Suche


Neueste Beiträge

  • Europäische Demokratieunion
  • Kann Demokratie überhaupt noch im einzelstaatlichen (nationalen) Rahmen praktiziert werden?
  • What now for Europe, as global integration crumbles?
  • 24. Februar 2025
  • Trump und Putin gegen die Aufklärung
  • Dem historischen Prozess der Befriedung durch Recht droht das Ende
  • Europa 2024 – Eine Bilanz
  • »Freiheit« – Angela Merkels Erinnerungen
  • Datenschutz und Informationsfreiheit in europäischer Sicht – 8. Auflage des bewährten Handbuchs
  • „The Making of European Music“ between European Self-identification and Colonialism – About David R.M. Irving’s new book.

Neueste Kommentare

  • Peter Nemschak bei The EU’s Geopolitical Hideout in Myanmar – Georg Bauer on Borrell’s blog post on Myanmar
  • Alexander Burstein bei Digitaler Humanismus – Lehren aus Covid-19
  • Gerhard Kaucic bei Theorie des Digitalen Zeitalters
  • Alexander Burstein bei Den Rassismus auf Abstand halten
  • Alexander Burstein bei Der EU-Gipfel 17. Juli bis 21. Juli 2020 – Pyrrhussieg oder zukunftsfähige EU? Jedenfalls kein historisches Datum…

Archiv

  • April 2025 (2)
  • März 2025 (1)
  • Februar 2025 (2)
  • Januar 2025 (2)
  • Dezember 2024 (2)
  • November 2024 (2)
  • September 2024 (2)
  • August 2024 (1)
  • Juli 2024 (3)
  • Juni 2024 (3)
  • April 2024 (2)
  • März 2024 (2)
  • Februar 2024 (1)
  • Januar 2024 (1)
  • Dezember 2023 (1)
  • November 2023 (2)
  • Oktober 2023 (2)
  • September 2023 (1)
  • August 2023 (1)
  • Juli 2023 (1)
  • Juni 2023 (1)
  • April 2023 (1)
  • März 2023 (2)
  • Februar 2023 (1)
  • Dezember 2022 (1)
  • Oktober 2022 (1)
  • Juni 2022 (1)
  • Mai 2022 (1)
  • April 2022 (1)
  • März 2022 (1)
  • Februar 2022 (3)
  • Dezember 2021 (5)
  • November 2021 (3)
  • Oktober 2021 (2)
  • April 2021 (2)
  • Januar 2021 (1)
  • Dezember 2020 (3)
  • Oktober 2020 (3)
  • September 2020 (1)
  • August 2020 (1)
  • Juli 2020 (2)
  • Juni 2020 (1)
  • Mai 2020 (3)
  • April 2020 (2)
  • März 2020 (3)
  • Februar 2020 (2)
  • Januar 2020 (1)
  • Dezember 2019 (3)
  • November 2019 (1)
  • Oktober 2019 (1)
  • September 2019 (1)
  • August 2019 (2)
  • Juli 2019 (4)
  • Juni 2019 (1)
  • Mai 2019 (3)
  • April 2019 (3)
  • März 2019 (2)
  • Februar 2019 (2)
  • Januar 2019 (3)
  • Dezember 2018 (4)
  • November 2018 (2)
  • Oktober 2018 (2)
  • September 2018 (3)
  • August 2018 (2)
  • Juli 2018 (3)
  • Juni 2018 (5)
  • Mai 2018 (1)
  • April 2018 (1)
  • März 2018 (3)
  • Februar 2018 (5)
  • Januar 2018 (2)
  • Dezember 2017 (6)
  • November 2017 (3)
  • Oktober 2017 (3)
  • September 2017 (2)
  • August 2017 (2)
  • Juli 2017 (2)
  • Juni 2017 (2)
  • Mai 2017 (5)
  • April 2017 (2)
  • März 2017 (4)
  • Februar 2017 (4)
  • Januar 2017 (3)
  • Dezember 2016 (3)
  • November 2016 (3)
  • Oktober 2016 (3)
  • September 2016 (3)
  • August 2016 (3)
  • Juli 2016 (3)
  • Juni 2016 (3)
  • Mai 2016 (2)
  • April 2016 (4)
  • März 2016 (4)
  • Februar 2016 (4)
  • Januar 2016 (3)
  • Dezember 2015 (4)
  • November 2015 (4)
  • Oktober 2015 (5)
  • September 2015 (4)
  • August 2015 (3)
  • Juli 2015 (4)
  • Juni 2015 (4)
  • Mai 2015 (5)
  • April 2015 (4)

Schlagwörter

Antoine Vauchez Armenier Aufklärung Brexit Bundesverfassungsgericht Corona Covid-19 Democracy Demokratie Demokratie; Digitaler Humanismus Digital Humanities Emmanuel Macron EU Europa Europäische Identität Europäische Kultur Europäisches Kulturerbejahr 2018 europäische Solidarität Europäische Union Eurozentrismus Flüchtlinge Frankreich Genozid Geschichte Griechenland; House of European History Immanuel Kant Kolonialismus Kultur Macron Martin Schulz Mein Europa Menschenrechte Nationalismus Osmanisches Reich Paris Polen Praxeologie Solidarität; Staat Türkei Ungarn Vielfalt Wiener Kongress
RSS abonieren
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Links
Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.

Webdesign
www.media-solutions.at

© Wolfgang Schmale, Universität Wien
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt. Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Optionen verwalten Dienste verwalten Verwalten von {vendor_count}-Lieferanten Lese mehr über diese Zwecke
Einstellungen ansehen
{title} {title} {title}