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Universität, Wissenschaft und Forschung im neuen österreichischen Regierungsprogramm 2017-2022

Datum: 22 Dez. 2017
Von: Wolfgang Schmale
Tags: Regierungsprogramm, Universität
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[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Das Regierungsprogramm der neuen österreichischen Regierung enthält ein Kapitel „Wissenschaft“ sowie ein darauf folgendes unter dem Titel „Innovation und Digitalisierung“, das sich ebenfalls mit Forschung und Grundlagenforschung befasst. In den Medien hat sich schnell das Thema „Studiengebühren“ in den Vordergrund geschoben, was geeignet ist, andere entscheidende Fragen in den Hintergrund der Diskussion zu drängen.

Was können Wissenschaft und Universität in den kommenden Jahren erwarten? Die sprachliche Qualität des Textes ist bescheiden, was sicher auch mit der Unordnung der Gedanken zu tun hat. Es ist viel von „international“ und „global“ die Rede, aber es kommen Zweifel auf, ob verstanden wurde, was das im Zusammenhang von Wissenschaft bedeutet.

Ein Großteil der Ressourcen von Wissenschaft, insbesondere die Finanzierung ihrer Hauptinstitutionen wie Universitäten, Forschungsinstitute und Akademien, wird national zur Verfügung gestellt, aber die Wissenschaft selber ist nicht national. Was genau meint man also mit dem ersten Satz des Wissenschaftskapitels: „Wissenschaft und Forschung sind Voraussetzungen echter Persönlichkeitsentfaltung in einer Gesellschaft und Basis für eine positive Zukunft unseres Heimatlandes.“?

Was ist „echte Persönlichkeitsentfaltung“? Wie denkt man sich den inhaltlichen Bezug zwischen Wissenschaft und „Heimat“?

Ein anderer etwas rätselhafter – oder naiver? – Satz (S. 68): „Wer Wissensdurst und Neugier klug zu fördern und richtig zu formen versteht, hat in der globalisierten und digitalisierten Welt gewonnen.“ So einfach ist das. „Globalisierte und digitalisierte Welt“ ist ohne Zweifel eine zutreffende und zentrale Kategorie, aber ist damit alles Wesentliche gesagt?

Unter den „Zieldefinitionen“ (S. 69) heißt es: „2. Hochschulsektor unter Bedachtnahme gezielter Profilbildung ausbauen und stärker am gesellschaftlichen Bedarf ausrichten.“ Welcher gesellschaftliche Bedarf ist gemeint? Der nationale? Wer stellt fest, was der gesellschaftliche Bedarf ist? Die Politik oder die Wissenschaft?

„Bessere Studienbedingungen“ sind ein wichtiges Anliegen des Regierungsprogramms, wirklich neue Ideen enthält es nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass es zu einer Verbesserung kommt, denn jeglicher pädagogische Blick auf Studierende und ihre Studienbedingungen ist aus dem Reformdiskurs verschwunden. Hier wäre die Sache mit der Persönlichkeitsentfaltung passend, aber so ist es nicht gemeint.

Richtig ist, dass die Drop-out-Quoten in Österreich zu hoch sind, diese Quote besagt dennoch nichts über den Nutzen der an der Uni verbrachten Zeit ohne abschließende Prüfung. Eine absolvierte Prüfung allein ist noch kein Ausweis, dass das Ziel des gesellschaftlichen Nutzens erreicht wurde.

Zielführender wäre es, die Ressourcen für die universitäre Lehre massiv aufzustocken, damit möglichst oft Studierendengruppen mit einer Teilungsziffer von höchstens 15 gebildet werden können. Sicher ist das noch kein Allheilmittel, aber wenn man die Verbindlichkeit im Studium erhöhen möchte, beginnt dies mit einer pädagogischen Maßnahme, die geeignet ist, Anonymität und Distanz zu reduzieren und den Studierenden zu signalisieren, dass ihre Persönlichkeit zählt (genau: Persönlichkeitsentfaltung).

Unterm Strich wird das vielleicht teurer bleiben als das jetzige Fließbandsystem für die Durchschleußung anonymer Quantitäten, aber die Erfolgsrate (Prüfungen und Studienabschlüsse) wird signifikant steigen.

Mit kleineren Gruppen lässt sich die Lehre zudem interessanter und auch in den geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern praxisnäher (=projektartiger Charakter) gestalten.

S. 71: „Ziel der Bundesregierung ist es, das österreichische Wissenschafts- und Forschungssystem zu einem der wettbewerbsfähigsten der Welt zu machen.“ Dazu ist noch einmal anzumerken, dass das Wissenschafts- und Forschungssystem für sich international, ja global ist – „österreichisch“ ist es in diesem Sinne also ebensowenig, wie es deutsch oder sonstwas wäre. Die Ressourcen sind national, aber nicht Wissenschaft und Forschung. Nicht ein „System“, auch nicht ein österreichisches ebensowenig wie ein anderes vermeintlich nationales ist wettbewerbsfähig zu machen, sondern die WissenschaftlerInnen/ForscherInnen müssen individuell und in Teams mit Infrastruktur und Ressourcen ausgestattet werden, die die internationale Sichtbarkeit und den Impact ihrer Forschungsergebnisse  entscheidend fördern. Ob das richtig in der Kategorie „Wettbewerb“ untergebracht ist, stellt wohl noch ein ganz eigenes epistemologisches Problem dar!

Das Regierungsprogramm ist wie schon in den Vorjahren sehr stark institutionenzentriert – was werden denn die pauschal angedachten Hochschulzusammenlegungen und sonstigen vermeintlich profilbildenden Maßnahmen genau erbringen können? Ich bin der Überzeugung, dass das Investieren in konkrete ForscherInnen mehr Resultate bringt. (Nur so erhöht man die Zahl von (Nobel)PreisträgerInnen an Institutionen in Österreich.)

Mehrfach ist von „hochschulischer Bildung“ die Rede. In Ordnung – aber Wissenschaft und Forschung sind mehr. Vor allem gehört die Frage erörtert, ob der Forschungsanteil in der „hochschulischen Bildung“ nicht stark erhöht werden muss, und zwar schon im Bachelor-Programm.

Insgesamt zu kurz kommt die Third Mission. Die gehört ohnehin zu allen wissenschaftlichen Fächern, und nicht erst seit heute. Aber ihr Charakter wandelt sich natürlich. „Wissenstranfer“ ist ein richtiges und wichtiges Schlagwort, aber die eigentliche Herausforderung besteht ja darin, den Transfer wissenschaftlichen Wissens sowie jeglichen Tranfer aus den Wissenschaften heraus sehr viel breiter in die Gesellschaft hinein zu bewerkstelligen als bisher. Aus demselben Grund müssen die Bachelorprogramme auch wieder stärker forschungs- statt bildungsorientiert konzipiert werden, denn der Forschungsbedarf ist immens.

Es geht auch nicht nur um Transfer, sondern darum, Wirkung zu erzielen. Die hochschulpolitische Aufgabe lautet, wie der Forschungscharakter wieder zum A und O der Universität wird – und dies bei notwendig sehr hohen Studierendenzahlen, denn die werden aufgrund des immensen Forschungsbedarfs gebraucht.

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