[1] Der Barockgarten von Großsedlitz/Sachsen wurde im Wesentlichen zwischen 1720 und 1730 unter dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König August dem Starken angelegt und mit über 42 Skulpturen ausgestattet. Darunter finden sich auch vier sehr gelungene Erdteilallegorien, die dem Hofbildhauer Johann Christian Kirchner (1691-1732) zugeschrieben sind.
[2] Die Anlagen von Großsedlitz gehen auf August Christoph Graf von Wackerbarth zurück (1719), der sie an August den Starken 1723 verkaufte. August ließ vor allem den Garten ausarbeiten, allerdings wurde nur rund ein Drittel der ursprünglich erwogenen Gartenanlage verwirklicht. August hatte auf Großsedlitz sein Auge geworfen, weil es ihm geeignet schien, dort das Fest des Polnischen Weißen Adlerordens zu feiern. Diesen Orden hatte er selbst 1705 gegründet. Auf Großsedlitz wurde das Fest bis 1756 insgesamt 13 Mal begangen.
[3] Zum Garten gehören die Obere und die Untere Orangerie, wo vor allem Zitrusbäumchen überwintert wurden. Diese Tradition wird weiter gepflegt. Der Garten selber entspricht dem Ausbaustand der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Parkplan). Ein Teil der Skulpturen wurde restauriert bzw. durch Kopien ersetzt. Alle Aussagen zum Bedeutungsgehalt des Gartens sind relativ, da die anfänglichen Pläne auf einen viel größeren Garten abzielten.
[4] Das Skulpturenprogramm bietet im Grundsatz keine Überraschungen, außer vielleicht, dass Pomona gleich sieben Mal aufgestellt wurde. Wir finden die wichtigsten Göttinnen und Götter (Diana, Adonis, Venus, Merkur, Jupiter, Juno u.a.), den Herkules Farnese, verschiedene Liebespaare aus der Mythologie (u.a. Zephir und Flora, Orpheus und Eurydike, Apollo und Daphne, Meleager und Atalante), sowie die bekannten Vierergruppen: Vier Jahreszeiten, Vier Elemente, Vier Erdteile.
[5] Die Obere Orangerie dominiert den Mittelteil des Barockgartens. Zunächst senkt sich der Garten auf ein Parterre und Bassin ab, dann steigt er an, und zwar in Gestalt einer mehrstufigen Kaskadenanlage, die allerdings unvollendet geblieben ist.
[6] Am Fuß der Kaskade sind die Paare/Liebespaare aufgestellt: Bacchus und Ariadne, Zephir und Flora, Pan und Syrinx, Orpheus und Eurydike, Narcissus und Echo, Apollo und Daphne, Meleager und Atalante, Ceyx und Alkyone.
[7] Oben, an einem weiteren Bassin stehen die vier Erdteilallegorien – Europa/Asia; Amerika/Afrika – und als die Sichtachse abschließend, die Vier Elemente.
[8] Die Themenzusammenstellung an der Kaskade – oben die Vier Elemente als Grundlage und Ursprung von Allem, dann die Vier Erdteile als Repräsentation der Erde, die nach den Gesetzen der Vier Elemente funktioniert, sodann die Paare – ist jedenfalls in sich stimmig.
[9] Die Erdteilallegorien sind rechts und links (in der Blickrichtung von der Oberen Orangerie) aufgestellt. (Links entspricht ungefähr Westen, rechts Osten, aber die Himmelsrichtungen scheinen für die Aufstellung der Figuren keine Rolle gspielt zu haben).
[10] Links stehen Europa und Asia, rechts America (gegenüber der Europa) und Africa (gegenüber der Asia). Die Aufstellung ist damit ‚kanonisch‘, das heißt sie führt vom zivilisatorisch (vermeintlich) höchsten Kontinent Europa, über die Asia und Africa bis zum zivilisatorisch (vermeintlich) niedrigsten Kontinent, die America. Die Attribute resümieren in gewohnter Weise die wichtigsten kulturellen Zuschreibungen.
[11] Die Ausstattung mit Attributen birgt keine Überraschungen, ist aber relativ detailliert.
[12] Europa: Krone, Zirkel, Winkelmaß, Bischofsmütze, Zepter, Bücher, Helm, Kanonenkugeln, Schild, Weintrauben, reichhaltige Gewandung, Umhang mit Hermelinbesatz.
[13] Asia: Die Kopfbedeckung mischt Turban und Mongolenhut, Gewand mit Saum und Diamanten, Rollen, Zimtrinde, Blätter, Weihrauchfass, Putto, Schatzkästchen, Köcher mit Pfeilen.
[14] Africa: Afrikanerin mit Elefantenexuvie auf dem Kopf, sehr reduzierte Bekleidung, Perlenkette und Schmuckgürtel, Schlange, Füllhorn mit Blüten und Straußenfedern, Löwe.
[15] America: Indianerin, Federkrone, Hüftschurz aus Federn, weitere Accessoires aus Federn, über den Rücken ein Tuch, Bogen, Köcher, Pfeile, Menschenkopf zu Füßen (=Kannibalismus), Putto mit Krokodil und Echse.
Dokumentation:
Webseite: Barockgarten Großsedlitz; Literatur: Der Königliche Lustgarten zu Großsedlitz. Die Skulpturen. Hrsg. von: Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen. Barockgarten Großsedlitz 2004.
Fotos im Blog: Wolfgang Schmale
Überblick Erdteilallegorien im barocken Mitteleuropa; Modellstudie: Erdteilallegorien im Fürstbistum Augsburg
Empfohlene Zitierweise (die Absätze sind in eckigen Klammern für Zitationszwecke nummeriert):
Wolfgang Schmale: Erdteilallegorien im Barockgarten von Großsedlitz. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, wolfgangschmale.eu/ erdteilallegorien-im-barockgarten-von-grosssedlitz, Eintrag 29.05.2017 [Absatz Nr.].