In Ulm fand vom 12. bis 15. Juli 2018 ein großes Treffen der Danube Networkers statt, die ihr zehnjähriges Bestehen begehen konnten. Das Netzwerk vereinigt Aktivist*innen aus den Ländern des Donauraums und pflegt aktiv das kulturelle Erbe dieses Raums.
Am 13. Juli gab es eine Fachkonferenz, bei der es ausgehend vom Donauraum unter anderem um den Zusammenhang zwischen Kulturerbe und europäischer Identität ging. Außerdem wurden Projekte zum gemeinsamen Dachthema „Tastes of Danube: Bread connects“ vor- und ausgestellt. Brot backen ist Teil des immateriellen Kulturerbes und stellt zudem einen historischen Faden der Menschheitsgeschichte seit dem Neolithikum dar. Nachvollziehbar in Ulm im „Museum der Brotkultur„.
Gleichzeitig fand das 11. Internationale Donaufest in Ulm statt.
Nebenher besichtigte ich ein wenig Ulm, vor allem das Münster, das schon lange auf meiner Wunschliste stand. Der spätgotische Bau gehört zu den schönsten seiner Art in Deutschland und muss keineswegs hinter französischen spätgotischen Kirchen zurückstehen. Er bezeugt immer noch, zusammen mit einer Reihe historischer Bauten, wie wohlhabend die ehemals Freie Reichsstadt Ulm gewesen war. Vollendet wurde der Kirchenbau wie viele andere erst im (späten) 19. Jahrhundert.
Kirchen sind immer Erinnerungsorte, keineswegs nur religiöse und kirchengeschichtliche. Das Ulmer Münster stellt unter anderem einen Erinnerungsort der beiden Weltkriege dar. Im Zweiten Weltkrieg erlitt es nur wenige Schäden, während rundherum das meiste in den Bombardements unterging. Der Kontrast zwischen Münster und Altstadt, trotz aller historistischen Bemühungen, ist eklatant.
Im Innern hängen Gedenktafeln für Gefallene im Ersten Weltkrieg und ein umstrittener Erzengel Michael, der unter nationalsozialistischem Druck in die Kirche kam. Ein kritischer Text erläutert seit 2017 die Geschichte.
Nicht weit davon in einem Seitenschiff werden kleine Spenden für die jüdische Gemeinde für die Anschaffung einer Thorarolle gesammelt. In Gedanken kehre ich zu den Danube Networkers und dem Treffen im Ulmer Haus der Begegnung zurück, das in der früheren Dreifaltigkeitskirche eingerichtet wurde. Heute, 2018, sitzen wir aus verschiedensten Ländern zusammen, tauschen Erfahrungen und Aktivitäten zum Kulturerbe aus, debattieren, was europäische Identität, oder überhaupt Identität ist, lachen und essen gemeinsam.
Leider ist die Wirklichkeit aber nicht mehr immer so positiv. Eine Teilnehmerin aus einem ostmitteleuropäischen Land, das zu den treibenden Kräften in der Visegrád-Gruppe gehört, bedankte sich ausdrücklich für den kritischen Vortrag und bedauerte die zunehmende Gleichschaltung von Wissenschaftler*innen in ihrem Land, die sich kaum mehr kritisch äußern würden. Dies bringt mir einen Satz in Erinnerung, den eine Kollegin 1987, also vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, bei einem Spaziergang während einer internationalen Tagung in eben diesem Land zu mir sagte: „Ich wäre so gerne frei!“ Ungarn ist dabei, die 1989 gewonnene Freiheit einem Autokrator zu opfern.