Die Stichwahlen am 7. Juli 2024 in Frankreich zur Nationalversammlung haben ein Ergebnis gebracht, das sich viele erhofft hatten, das aber kaum jemand vorher für realistisch gehalten hatte.
Der Rassemblement national (RN) hat deutlich zugelegt, ist aber „nur“ drittstärkste Kraft. Der Nouveau Front Populaire hat die Wahlen, aber keine Mehrheit gewonnen. Das Bündnis Ensemble, das Präsident Macron unterstützt, wurde zweitstärkste Kraft – hat knapp 100 Sitze verloren, aber der völlige Einbruch hat nicht stattgefunden.
Die bisherigen Erfahrungen der „Cohabitation“ nutzen in der gegenwärtigen Konstellation nichts. Vielmehr müssen die französischen Politiker*innen nun lernen, Regierungskoalitionen zu bilden und diese erfolgreich ans Arbeiten zu bringen. Andernfalls dürfte klar sein, wer die Präsidentschaftswahlen 2027 gewinnen wird, nämlich Marine Le Pen vom RN.
Dieses Mal hat der republikanische Reflex gegen den Rechtsextremismus nochmals funktioniert, aber wenn jetzt keine „gute Politik“ folgt, war’s das. Macron wollte von den Wähler*innen eine Klärung nach den verlorenen Europawahlen; diese Klärung hat er bekommen, eine Fortsetzung der bisherigen Politik darf es nicht geben. Ob er das verstanden hat?
Role models, wie man selbst schwierigste Koalitionen – s. z.B. die Regierungen in den Niederlanden unter M. Rutte – zusammenhält und dabei auch noch Politik macht, gibt es genug. Doch gibt es genug Bereitschaft in der französischen Politik, jetzt dazuzulernen und sich Rat in Europa zu holen? Vielleicht sieht Macron nun mit anderen Augen auf Bundeskanzler Scholz? Es wird ihm leichter fallen, wenn auch die französischen Medien ihr übliches mitleidiges Lächeln über Koalitionsregierungen abstellen und genauer hinschauen würden.
Frankreich steht vor der Wahl, sich in dem Sinne zu europäisieren, dass mit Blick auf die sich in den Wahlen ausdrückende Diversität der Wähler*innen politische Kompromisse ausgehandelt werden. Eine neue Chance für eine Europarede von Macron, nun aber nicht als Lehrmeister der anderen Regierungschefs, sondern als jemand, der verstanden hat, dass sich die Rituale der permanenten und unversöhnlichen politischen Konfrontationen erschöpft haben und andere europäische Länder gelernt haben, damit umzugehen und zu politischen Resultaten zu kommen.
Natürlich muss man das bei La France Insoumise genauso lernen; ob Herr Mélanchon das lernt, ist zu bezweifeln. Der RN wird es auch nicht lernen wollen, die verlorene Wahl setzt Reflexe à la Trump frei, so als seien all die, die den RN NICHT gewählt haben, nicht „das Volk“, als sei es illegitim, eine andere Partei als den RN zu wählen.
Derweil nutzt der RN seinen Wahlerfolg bei den Europawahlen vor einem Monat. Er hat sich mit der Fidesz von Orbán und der FPÖ von Kickl/Vilimsky in einer Fraktion zusammengetan. Alle sind Putin-freundlich und halten es offenbar für überflüssig, über die zahllosen Kriegsverbrechen der Armee der Russländischen Föderation im Krieg gegen die Ukraine zu reden. Herr Orbán schüttelt Putin weiterhin freundlich lächelnd in Moskau die Hand. Was Präsident Putin von diesem „Friedensstifter“ aus Ungarn hält, zeigt er mit dem Raketenangriff auf das Kinderkrankenhaus in Kiew am 8.7.2024, in dem nicht zuletzt krebskranke Kinder behandelt werden.