[1] Viele fragen sich, ob der Streit um die Begriffe – Genozid, Massaker, und andere – nicht den Blick auf das Leiden und Sterben von wahrscheinlich eineinhalbmillionen Armeniern und ca. dreihunderttausend Assyro-Chaldäern und Syriaken 1915 verdecke und vom Gedenken daran ablenke. Denn gäbe es ein gemeinsames Totengedenken, so stünde dies zum Jahrestag im Vordergrund.
[2] Warum wäre es wichtig, einen Konsens insbesondere mit der Türkei zu finden? Die Anerkennung eines Genozids als Genozid ist mit der Akzeptanz von Verantwortung und Schuld verbunden, wobei es beim Genozid an den Armeniern aus zeitlichen Gründen, anders als bei den späteren Genoziden im 20. Jahrhundert, eigentlich nicht mehr um Schuld und Verantwortung im juristischen, sondern im moralischen und ethischen Sinn geht. Diese Anerkennung und Übernahme von Verantwortung stellt in erster Linie einen Versöhnungsakt dar. Historisch betrachtet liegt dem eine Annäherung der Narrative der Beteiligten und Betroffenen zugrunde, faktisch muss diese allem weiteren vorausgehen. Die Anerkennung eines Genozids als Genozid kann nicht angeordnet und sie kann auch nicht durch Parlamentsresolutionen herbeigeführt werden, selbst wenn solche Resolutionen (inzwischen über 20) der Ausbildung eines gemeinsamen Narrativs schon dadurch förderlich sein können, weil sie kontrovers debattiert werden. Für ein historisches Narrativ, das nicht ideologisch, nicht propagandistisch, nicht nationalistisch sein darf, sind die kontroversen Debatten essentiell.
[3] Die Annäherung historischer Narrative ist komplex und aufwendig, gleichwohl unumgänglich. In der Europäischen Union hat dies stattgefunden, ohne dass man sagen möchte, der Prozess sei abgeschlossen. Aber den Mitgliedsstaaten und ihren Gesellschaften ist es durchaus gelungen, untereinander und mit Hilfe der EU nationale Narrative zu verändern und zu verflechten. Es hat sich ein (EU-)europäisches Netz von Narrativen entwickelt, das für den Zusammenhalt in der EU bedeutsam ist, obwohl dieser Umstand in der Öffentlichkeit wenig thematisiert wird.
[4] Nach außen gut wahrnehmbar ist das Holocaustnarrativ. Im Ergebnis bedeutet es, dass weitgehend Einigkeit über das Geschehen, seine Beurteilung und die daraus zu ziehenden Konsequenzen besteht und dass es nicht Teil von Polemiken ist. Einschränkend ist hierzu anzumerken, dass es immer Sprecher und Sprecherinnen abseits des Konsenses gibt, die etwas anderes als Narrativ durchzusetzen versuchen und es zum Gegenstand von Polemik machen wie der ehemalige Vorsitzende des Front national in Frankreich, Le Pen.
[5] Das Holocaustnarrativ ist Teil des schulischen Unterrichts und der Menschenrechtserziehung, es nimmt nicht nur im wissenschaftlichen wie öffentlichen Geschichtsdiskurs eine zentrale Stellung ein, sondern es wird auch für die Aufarbeitung der Wissenschaftsgeschichte immer wesentlicher. Es ist nicht auf Europa begrenzt, sondern beruht auf der aktiven Teilnahme insbesondere der USA und Israels.
[6] Die Entstehung des Holocaustnarrativs und der Weg, der gegangen wurde, bis es ein gemeinsames europäisches unter Einschluss weiterer Länder wurde, sind gut dokumentiert – von den ersten veröffentlichten Fotos der befreiten Vernichtungslager, die der deutschen Gesellschaft zeigten, welche Verbrecher und Verbrechen aus ihr hervorgegangen waren bis hin zu den Holocaustmemorials, über viele weitere Stationen wie die Nürnberger Prozesse, den Eichmann-Prozess, die wissenschaftliche Aufarbeitung, die amerikanische Fernsehserie Holocaust mit ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit, EU-Beschlüsse, gemeinsame Schulbuchkommissionen und vieles mehr. Es hat lange gedauert und gefestigt ist das Holocaustnarrativ im Grunde erst seit ungefähr der Jahrtausendwende.
[7] In anderen Bereichen ist das historische Narrativ weder europäisch noch gefestigt. Das gilt in Bezug auf den Kolonialismus wie auch in Bezug auf die Epoche des Kalten Krieges. Im zweiten Fall geht es um die Zentrierung auf Opfer-Täter-Schemata, die sich schnell etabliert haben, letztlich aber inadäquat sind. Philipp Thers Buch über die „Neue Ordnung auf dem alten Kontinent“ (s. unten Dokumentation) könnte einen Weg zu einem gemeinsamen Narrativ aufzeigen, das allerdings vorwiegend die Zeitspanne nach 1989 zum Gegenstand hat.
[8] Wir müssen uns fragen, ob es eine Chance für ein gemeinsames Narrativ zum Genozid an den Armeniern gibt? Der Genozid ereignete sich vor den Augen der damaligen Mächte, sehr viele Fakten waren zeitgenössisch bekannt und sind in Quellen aus diplomatischen und militärischen Kreisen sowie Berichten von Hilfsorganisationen dokumentiert. Das Geschehen liegt nicht im Dunklen.
[9] Die Beurteilung des Geschehens ist schwieriger, weil sie kaum objektivierbar ist. Juristisch ist der Begriff Genozid nicht so präzise definierbar, dass er eine unstrittige Ja/Nein Zuordnung der massenhaften Vernichtung von Menschen ermöglichen würde. Die Bereitschaft, die massenhafte Vernichtung von Menschen als Genozid zu bezeichnen, gehört zur Anwendung des Begriffs dazu, wenn es wie im Fall des Genozids an den Armeniern vorrangig um das Ziel der Versöhnung geht, weil eine gerichtliche Aufarbeitung nicht mehr durchführbar ist. Soweit es die Türkei betrifft, stärkt diese insbesondere unter dem jetzigen Präsidenten ein nationalistisches Narrativ. Auch wenn, zum Vergleich, die EU-europäischen Länder nicht frei von nationalen Narrativen mit gelegentlichen nationalistischen Elementen sind, so wurde doch die Entstehung eines europäischen Narrativs zugelassen und seine Wirkmächtigkeit akzeptiert. Trotz aller Beharrlichkeit des Nationalen hat das Nationale im EU-Europa eine Relativierung, Relationierung und Abschwächung erfahren. Solche Beobachtungen lassen sich fallweise auch in der Türkei machen, im Verhältnis zu den Kurden, und geringfügig sogar in Bezug auf die Armenier. Die kleine türkische Zivilgesellschaft ist in der Beziehung viel weiter als die Regierung und der ihr anhängende größere Teil der Gesellschaft.
[10] Wir wissen nicht genau, ob die Türkei das Projekt eines EU-Beitritts weiter verfolgen möchte. Sie wird es nicht tun können, wenn die Sache mit den historischen Narrativen nicht verstanden wird. Vielleicht teilt sie eines Tages unser Gedenken dieses Genozids.
Dokumentation:
Ther, Philipp: Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa. Berlin: Suhrkamp, 2014.
Empfohlene Zitierweise (die Absätze sind in eckigen Klammern für Zitationszwecke nummeriert):
Wolfgang Schmale: 24. April 1915 – 24. April 2015: Gedenken an den Genozid an den Armeniern. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, http://wolfgangschmale.eu/gedenken-an-den-genozid-an-den-armeniern/, Eintrag 25.04.2015 [Absatz Nr.].[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]
Lieber Wolfgang,
erst einmal mein Glückwunsch, dass Du diesen Blog einrichtest. Ich habe mich bisher an keinen Blogs beteiligt, aber das liegt primär daran, dass ich es schon kaum schaffe, alle Emails professionell und rasch zu beantworten.
Nun gibt es also diesen Blog – und es ist höchste Zeit dafür, denn ich finde, das europäische Geschichte und die aktuellen Herausforderungen Europas in Wien im Vergleich zu anderen Metropolen relativ wenig debattiert werden. Vielleicht muss man dafür auch eine neue Öffentlichkeit schaffen, da sich die traditionellen Foren öffentlicher Diskurse, die Printmedien, schon längere Zeit in einer Krise befinden. Vor allem jüngere Menschen und Studenten nehmen an den Debatten in der FAZ, der SZ, der NZZ und anderer Qualitätsmedien nach meiner Beobachtung nur noch begrenzt wahr. Die neue Öffentlichkeit ist wohl tatsächlich die Blogosphere, wobei man da auch noch nicht weiß, wie sie sich, nicht zuletzt unter dem Einfluss technischer Veränderungen, verändern wird.
Ich wünsche also erst einmal alles Gute mit diesem Blog und seiner sicher aufwändigen Administration!
Herzliche Grüße
Philipp
Kommentar zur Debatte über den armenischen Genozid
Ich stimme dem Beitrag von Wolfgang in fast allen Punkten zu, eine weitere Aufarbeitung des Genozids an den Armeniern ist sicher notwendig. Daran waren in den vergangenen Jahren nicht zuletzt etliche türkische oder aus der Türkei stammende Historiker beteiligt (besonders empfehle ich hierzu die Lektüre des in den Niederlanden aufgewachsenen und lehrenden Uğur Ümit Üngör, The Making of Modern Turkey. Nation and State in Eastern Anatolia, 1913 –1950, New York 2011). In der Tat ist die Wissenschaft, wie Du im Text schreibst, schon wesentlich weiter, als die Politik.
Ob es so bald zu einer Versöhnung kommen kann, muss man leider bezweifeln, denn nach dem tieferen, religiösen Sinn dieses Begriffs müsste die Seite, die geschlagen wurde, die Hand ausstrecken um dem Täter zu verzeihen. Das ist möglicherweise zu viel verlangt angesichts der kollektiven Traumatisierung der Armenier, die durch diverse Pogrome und ethnische Säuberungen in der Endzeit der Sowjetunion eine neue, aktuelle Dimension erhalten hat. Um die Aussichten auf eine Versöhnung näher zu beurteilen, müsste man die Diskurse in der transnationalen armenischen Öffentlichkeit verfolgen, zu der auch etliche zehntausende Armenier gehören, die bis heute in Istanbul leben. Grundlage jeder Versöhnung oder Anerkennung von Leid ist jedenfalls die Kenntnis und Aufarbeitung der Geschichte, die wie erwähnt auf fachlicher Ebene vorankommt.
Ohne nun die Rolle von Opfern und Tätern in irgendeiner Weise vertauschen oder relativieren zu wollen, muss man aber wahrscheinlich auch auf die türkische Öffentlichkeit anders zugehen als bisher in Europa und insbesondere in Wien geschehen. Der Genozid an den Armeniern hat andere Dimensionen und eine andere Vorgeschichte als der Holocaust, mit dem er verstärkt in einen Kontext gestellt wird. Ich konzentriere mich hier im Blog wie in meinem Buch über „Ethnische Säuberungen im modernen Europa“ (Göttingen 2011, seit 2014 auch auf englisch erhältlich) vor allem auf die Täter – wobei ich einschränkend ergänzen muss, dass ich nicht osmanisch lesen kann und mich daher nur auf Sekundärliteratur und übersetzte Quellen stützen konnte.
Die Organisatoren des Völkermords, die politischen Führer der Jungtürken und die meisten hohen Offiziere in der osmanischen Armee, stammten weit überwiegend aus dem europäischen Teil des osmanischen Reiches, der im Krieg von 1876-78 und dann vor allem in den Balkankriegen 1912-13 verloren ging. Zu erwähnen ist auch der russische Kaukasusfeldzug von 1860-64, dem ebenfalls mehrere hunderttausend Menschen zum Opfer fielen (vgl. dazu und zum zeitgenössischen russischen Nationalismus in einer longue durée-Perspektive Peter Holquist, To Count, to Extract and to Exterminate: Population Statistics and Population Politics in Late Imperial and Soviet Russia, in: Ronald Grigor Suny, Terry Martin (Hg.), A State of Nations. Empire and Nation Making in the Age of Lenin and Stalin, Oxford 2001, S. 111–144). Diese Kriege waren von gezielter Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, lokalen Pogromen und Massakern sowie massenhaften ethnischen Säuberungen begleitet (die Zahlen sind am zuverlässigsten überliefert in: Alexandre Toumarkine, Les migrations des populations musulmanes balkaniques en Anatolie 1876 –1913, Istanbul 1995). Die Brutalität hing mit dem damaligen europäischen Orientalismus und der Menschenverachtung gegenüber „den Türken“ zusammen – so wurden die ihrer Sprache und Kultur nach ziemlich unterschiedlichen Muslime in Südosteuropa meist zusammengefasst.
Diese Kriege führten auch dazu, dass ein erheblicher Teil der 1915 entscheidenden Elite des Osmanischen Reiches entweder persönlich traumatisiert war oder über die Familie Anteil an einer kollektiven Traumatisierung nahm. Dies trug auch dazu bei, dass sich unter den Jungtürken, die ursprünglich vor allem eine durchgreifenden Modernisierung des noch multiethnischen Osmanischen Reiches angestrebt hatten, ein radikaler Ethno-Nationalismus durchsetzte. Selbstverständlich kann dies das spätere Verhalten der jungtürkischen Eliten in Ostanatolien nicht entschuldigen, aber das Wissen über die Vorgeschichte hilft vielleicht, es zu erkären.
Es ist indes irritierend, wie die derzeitige Regierung der Türkei versucht, dieses Leid mit dem Genozid an den Armeniern aufzurechnen. Auf der türkischen Demonstration in Wien vergangene Woche konnte man vorgedruckte Plakate sehen, auf denen „wir haben auch gelitten“ stand, als ob die überwiegend jungen Plakatträger vor gut 100 Jahren in Mazedonien oder anderen südosteuropäischen Regionen aufgewachsen und dann von dort vertrieben worden wären.
Ein zweiter ideologischer Faktor war die Erziehung der jungtürkischen Elite, die häufig auf westliche Gymnasien und Universitäten geschickt wurden, darunter Kemal Pascha bzw. der spätere Atatürk, der in Saloniki (der türkische Name Selanik ist in Europa weniger bekannt) auf ein französisches Lycee ging. Dort lernten die jungen Nationalisten das Konzept des homogenen und zentralisierten Nationalstaats kennen, für das vor allem und trotz aller faktischen Inhomogenität die Republik Frankreich stand. Aus deren glühenden Bewunderern und überhaupt aus Anhängern eines homogenen Nationalstaats muss noch lange kein Organisator eines Völkermords werden, aber diese ideologische Prägung wirkte nach, auch in der 1923 gegründeten türkischen Republik, die bekanntlich andere Minderheiten ebenfalls verfolgte, darunter die Kurden, die indes bei der Ausführung des Genozids an den Armeniern im ostanatolischen Hochland eine ganz wesentliche Rolle spielten. Dies erwähne ich auch deshalb, weil die Dichotomie zwischen Tätern und Opfern in diesem Teil der Welt auf den zweiten Blick oft nicht so klar ist und die Geschichte ethnischer Säuberungen im postosmanischen Raum mehrfach zeigt, wie ehemalige Opfer von Gewalt später zu Gewalttätern wurden
Ein dritter, situativer Faktor war der Kontext des Ersten Weltkrieges, der in Südosteuropa eigentlich schon mit den Balkankriegen begann bzw. als deren Folgekonflikt zu verstehen ist. In der osmanischen Armee herrschte Furcht vor einer Wiederholung des Szenarios aus den Jahren 1912-13, als zivile Unterstützer der Kriegsgegner die Lage hinter der Front destabilisierten. Außerdem gab es unter den armenische Nationalisten Forderungen zunächst nach einer Autonomie innerhalb des osmanischen Reiches (wie diese Autonomie verstanden wurde und umsetzbar gewesen wäre, ist ein eigenes Thema), am Vorabend des Weltkrieges auch nach Selbstständigkeit. Schließlich existierte ein imaginäres Armenien auf der anderen Seite der russisch-osmanischen Front in Ostanatolien, armenische Soldaten kämpften auch in der russischen Armee bzw. waren in diese eingezogen worden. Die militärische Lage verstärkte die Ängste auf türkischer Seite, wobei diese gezielt geschürt wurden, um die Offiziere und Soldaten vor Ort zu einer Beteiligung am Massenmord zu motivieren.
Die Radikalität der Deportation der ostanatolischen Armenier (wie erwähnt war die Lage im Westen Anatoliens und in Istanbul anders – was wiederum die Relevanz des Kriegsgeschehens indirekt belegt) lässt sich indes nur vor dem Hintergrund dieser militärischen Lage, der daraus gezogenen mörderischen Schlüsse und der ideologischen Prägung eines radikalen, durch eigene Traumata genährten Ethno-Nationalismus erklären.
Ein anderes Thema – das für das Format eines Blogs aber zu weit führt – ist der Verlauf des Genozids und der Beteiligung der damaligen türkischen und kurdischen Zivilbevölkerung in Ostanatolien. Hier sei nur kurz festgehalten, dass es sich – bezogen auf das gesamte Osmanische Reich – um einen partiellen Genozid handelte – die Armenier in Westanatolien (die dann allerdings z.B. in Izmir/Smyrna im Kontext des griechisch-osmanischen Krieges 1922/23 massenhaft verfolgt und deportiert wurden) und in Istanbul wurden damals nicht von den Deportationen erfasst, wenngleich sie auf andere Weise litten.
Welche politischen oder auch vergangenheitspolitischen Schlüsse kann man aus diesem kurzen historischen Abriss ziehen?
1) Selbstverständlich bleibt es bei der Bewertung der massenhaften Deportation der ostanatolischen Armenier als Genozid. Dennoch würde ich angesichts der Vorgeschichte und ideologischen Hintergründe eher die Unterschiede zum Holocaust betonen als die Gemeinsamkeiten
2) Europa (wenn man es als Gesamtes so fassen will – wobei die osmanische Geschichte ein Teil der europäischen Geschichte ist) war kein unbeteiligter Akteur der Konflikte und brutal geführten Kriege in Südosteuropa und der dabei verursachten kollektiven Traumatisierungen. Das muss man sich für die heutige Debatte bewusst machen. Ich würde hierbei nicht von einer Mitschuld sprechen, aber im längeren zeitlichen Kontext doch von einer Mitverantwortung – das gilt bezogen auf das Jahr 1915 insbesondere für die damaligen Verbündeten des Osmanischen Reiches.
3) Vielleicht würde sich die heutige Türkei leichter mit einer Anerkennung des Genozids tun, wenn man in Europa das Leid zahlreicher Muslime in Südosteuropa im langen 19. Jahrhundert anerkennt. Das Problem dieser Anerkennung liegt darin, dass sie allzu leicht politisch instrumentalisiert werden kann, bis hin zu einer Relativierung des spezifischen armenischen Leids, das sich in Slogans wie „alle haben gelitten“ oder „auch wir haben gelitten“ widerspiegelt.
Aber das sollte uns als Historiker nicht abschrecken. Vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit, aufgeklärte türkische oder aus der Türkei stammende Historiker in Wien verstärkt zu Wort kommen zu lassen und ihre Sicht der Dinge zu berücksichtigen.
Philipp Ther, Wien am 29.4.2015
(ich bitte etwaige Tippfehler und Ungenauigkeiten anderer Art zu entschuldigen – ich muss mich an das Format eines Blogs erst noch gewöhnen)
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