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Kulturgeschichte und Zukunft der Europäischen Union: je mehr Europa desto besser?!

Aufsteller vor dem Informationszentrum Europe Direct Bremen, Deutschland, 9. Februar 2017. Foto: Peter Pichler
Datum: 07 März 2017
Von: Wolfgang Schmale
Tags: Europäische Union
Kommentare: Comments are off

von Peter Pichler

[1] Wie es auch Wolfgang Schmale in seinem letzten Blogpost thematisierte, denkt man in den Institutionen der Europäischen Union zunehmend über mögliche Zukunftsszenarien für die Weiterentwicklung der europäischen Integration nach. Die EU entwickelt ihren Zukunftsdiskurs weiter.

[2] Man kann in Bezug auf die bisher über sechs Jahrzehnte europäischer Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus von historischen Metamorphosen sprechen. Die Integrationsgeschichte kannte und kennt keinen universalen historischen Telos, der hin zu „mehr“ Integration führen müsste, was gerade auch das scheinbare Desintegrationsereignis des „Brexit“ verdeutlicht. Der Zukunftsdiskurs der EU ist kulturgeschichtlich tief verankert, er baut auf dem jahrhundertelangen Diskurs des europäischen Utopismus auf, der als Geschichte gewünschter und ersehnter Zukunftsimaginationen ins Herz der europäischen Moderne zurückführt.

[3] Es ist durchaus naheliegend, dass die EU gerade in einer Phase, in der ihre Zukunft erschüttert scheint, erst recht sich selbst zum zentralen kulturgeschichtlichen Ort der Produktion dieser Zukunft machen will. Visionen und Utopien sind in erheblichem Ausmaß Selbstbilder und damit identitätsträchtig. Dass gerade die Kommission, oft als „Motor der EU“ bezeichnet wird, sich zum „Motor der EU-Zukunft“ aufschwingen will oder eigentlich muss, unter anderem im „Weißbuch zur Zukunft Europas“, erscheint umso schlüssiger.

[4] KulturhistorikerInnen drängen sich hier drei Fragerichtungen als Vektoren, gleich Denkachsen der Reflexion, auf. Diese strukturieren auch den momentanen Forschungsstand zur Kulturgeschichte der EU. Sie sind aufeinander bezogen, gleich drei Kreisen, sich überlappend in einer zentralen kulturgeschichtlichen Aussage als Schnittmenge. Diese drei Fragen sind:

  1. Was ist die Europäische Union?
  2. Was ist sie nicht?
  3. Wohin könnten sie sich entwickeln?

[5] Ich habe im Februar 2016 (also vor der „Brexit“-Abstimmung im Juni dieses Jahres) unter dem Titel „EUropa. Was die Europäische Union ist, was sie nicht ist und was sie einmal werden könnte“ eine Kulturgeschichte der EU veröffentlicht, die sich an ein breites Publikum wendet. Mein Ziel war es, den aktuellen Forschungsstand als kulturellen Diskurs zu vermessen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die bisherige Forschung es nahelegt, die Schnittmenge dieser drei Fragekreise in der Aussage, ja dem Slogan „Je mehr Europa, desto besser!“, zu sehen. Ich habe klar hervorgestrichen, dass dies meine Haltung als wissenschaftlicher und politischer Sprecher im Diskurs ausdrückte.

[6] In einer Phase, in der die Zukunft der EU erschüttert wird (und damit auch unsere Bilder ihrer Geschichte), erscheint dies als naiv; oder zumindest als Ausdruck einer möglichen reflexartigen Trotzhaltung des EU-Optimisten, schlimmer noch des bornierten EU-Enthusiasten. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, die Thesen, die ich in diesem Buch formuliert habe, einer aktualisierten, fokussierten (Re-)Reflexion zu unterziehen. Ich tue dies, indem ich diesen Narrativvorschlag, ursprünglich nur mit einem Ausrufezeichen versehen, zugleich mit einem Fragezeichen ausstatte. Es ist also, fragend und ausrufend, zu ergründen: je mehr Europa, desto besser?!

[7] Ich werde in dieser Bestandsaufnahme nach einem weiteren Jahr europäischer Integrationsgeschichte diese drei Denkachsen nochmals abschreiten. Ich beginne mit der Frage „Was ist die Europäische Union?“. Antworten auf sie vermessen den Identitätsraum der EU – und zwar in der Form, dass sie Hinweise geben, was sie als Kulturgemeinschaft auszeichnet.

Was ist die Europäische Union?

[8] Man kann hier sieben Charakterzüge dieses Raums erkennen. Erstens, folgend dem Forschungsstand, können wir die EU als eine historisch präzedenzlose Form der Gemeinschaft bezeichnen. Dies begründet sich in dem Grad an Supranationalität, der in diesem Ausmaß bisher in keinem anderem Fall internationaler Organisationen oder regionaler Integration erreicht wurde.

[9] Zweitens zeichnet sich die EU dadurch aus, dass sie zu einer Friedensgarantin für heute beinahe ganz Kontinentaleuropa wurde. Zwar wurde diese Rolle durch die „Balkankriege“ der 1990er-Jahre elementar erschüttert, aber die Union wuchs hieran im wörtlichen Sinne – die damaligen Kriegsparteien sind heute zum Teil bereits Mitglieder dieser Friedensgemeinschaft.

[10] Ein dritter Zug ist, dass sie wirtschaftlich betrachtet ein global player ist. Als Wirtschafts- und Handelsraum betrachtet, ist die Union „Weltspitze“; dies bedeutet zugleich, dass es im Zuge der Aber-Millionen Wirtschaftskontakte zum beständigen kulturellen Austausch mit der Welt kommt – europäisch und global.

[11] Ein vierter Punkt besteht darin, dass die EU sich zu einem Raum der Menschenrechte entwickelt hat. Meilensteine waren hierbei die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950) des Europarats sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000). Sie machten die EU neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (AEMR, 1948) zu dem role model der Menschenrechtsgeschichte.

[12] Fünftens handelt es sich bei der EU um einen kulturellen Raum, den die Entgrenzung des Nationalen und die damit verbundene Wanderschaft kennzeichnen. Gerade die Grenzenlosigkeit, eingeleitet durch den Schengen-Prozess, wurde zu einem ihrer grundsätzlichen Charakterzüge. Im Zuge der „Migrationskrise“ schien dies kulturhistorisch neu zu verhandeln zu sein.

[13] Sechstens kann man feststellen, dass gerade dieser Prozess der Entgrenzung mit der Konstruktion von rigiden Grenzen nach außen hin verbunden war. Die „Festung Europa“, institutionell „gesichert“ durch die Grenzschutzagentur Frontex (Stichwort: Lampedusa), besteht in kritisch zu bedenkenden Außengrenzkonstruktionen.

[14] Ein siebter Aspekt der community besteht in der Wertekonstruktion. Dies betrifft einerseits das gemeinsame Erbe, wie man es kanonisiert hat (Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Trennung von Staat und religiösen Institutionen, Erbe der Glaubenslehren, Humanismus und Renaissance, Aufklärung). Dies ist für die Zeit nach 1945 vor allem durch die Sozialtradition Europas in Wirtschaft und Politik zu ergänzen.

[15] Man kann also sagen: Die EU ist eine (1) innovative und präzedenzlose Kulturgemeinschaft, (2) eine Friedensgarantin, (3) ein wirtschaftlicher global player, (4) ein Raum der Menschenrechte, (5) der Wanderschaft und nationalen Entgrenzung, (6) ein Raum möglicher zukünftiger menschenrechtlicher Würde (in einer Neuverhandlung der Außengrenzen, gerade im Zuge der „Flüchtlingskrise“) sowie (7) ein Versprechen für die europäischen Werte. Damit liegen sieben recht klar bestimmbare Züge der Identität, einer tendenziell positiven und wertzuschätzenden Identität der EU als Kulturgemeinschaft vor.

Was ist die Europäische Union nicht?

[16] Hier schließt die zweite Frage an: „Was ist die EU nicht?“. Dies bedeutet die EU noch besser kennenzulernen, indem man negatorisch bestimmt, was nicht auf sie zutrifft; zugleich wird eine Abgrenzung gegenüber vielen historischen Stereotypen vollzogen.

[17] Erstens ist die EU kein „Superstaat“, wie dies vor allem Populismus und Boulevard suggerieren. Der momentane Forschungsstand weist eher darauf hin, dass die EU eine eigene Form der „Staatlichkeit“ hervorbrachte, die derzeit als „Netzwerk“ (Schmale) oder „Mehrebenensystem“ (Marks/Hooghe) noch am besten zu dechiffrieren ist. Die EU ist kein klassischer Staat und wird dies auch in nächster Zeit nicht werden.

[18] Zweitens handelt es sich um keine europäische Nationsbildung. Die klassische Nation beruhte in der Regel auf Authentizität, Essentialismus und Exklusivität. Die EU betont tendenziell eher den Kulturmodus der Reflexivität, sie ist nur als eine Identitätsträgerin unter vielen zu sehen.

[19] Drittens ist die EU keine Gefahr für nationale Identitäten. Die neuere Nationalismusforschung zeigte, dass auch nationale Identitäten immer Konstruktionen sind. Lediglich wurden sie als „naturgegebene“ und authentische Erscheinungen erzählt. Es spricht vieles dafür, dass EU-Identitäten nationale Identitäten ergänzen – und umgekehrt.

[20] Ein vierter Aspekt ist, dass die EU keine Bedrohung für die nationalen Kulturen darstellt. Die EU stellt sicherlich einen neuen Raum eigener Kultur dar; während sich aber die nationalen Kulturen im weiten Panorama der Geschichte als exklusive Kulturen präsentierten, ist die heutige Unionskultur eher eine Kultur der reflexiven Verhandlung.

[21] Fünftens lassen die bisherigen Forschungen erkennen, dass der Wirtschaftsraum der Union weder eine Gefahr noch einen Ersatz für den nationalen Wirtschaftsprozess ausbildet. Die EU formt ein Netzwerk, das die Volkswirtschaften ins Gespräch bringt. Im Aufkommen des globalen Wirtschaftsprotektionismus ist dies auch kulturell schlagend.

[22] Sechstens: Weder ersetzt noch gefährdet die EU den Nationalstaat. Hierzu ist anzumerken, dass die Frage um die „Staatlichkeit“ der Union noch nicht geklärt ist. Das Sprechen vom „Netzwerk“ beziehungsweise vom „Mehrebenensystem“ ist derzeit prägend. Hieraus folgt aber bereits, dass dies kein Ersatz für den Nationalstaat ist.

[23] Siebtens: Primär- und Sekundärrecht der EU stellen keinen Ersatz für das nationale Verfassungsrecht dar. Es ersetzt nicht die nationalen Rechtstraditionen – Europarecht greift tendenziell eher dort ein, wo es besseren rechtskulturellen Schutz bietet.

[24] Also ist die EU (8) kein „Superstaat“, (9) keine Nationsbildung, (10) keine Gefahr für die Nationalidentitäten, (11) keine Bedrohung für die Nationalkulturen, (12) kein Ersatz für die Nationalwirtschaften, (13) kein Ersatz für den Nationalstaat sowie schließlich (14) kein Ersatz für die nationalen Verfassungsrechte. Dies sind sieben negatorische Strukturaspekte, die die positiv bestimmten Inhalte („Was ist die EU?“) noch genauer begrenzen. Sie lassen uns schließen: nicht EU oder Nation, sondern EU und Nation.

Wohin könnte sich die Europäische Union entwickeln?

[26] Wenn man an dieser Stelle zur dritten Frage, „Wohin könnte  sich die EU entwickeln?“, übergeht, ist dies für die Neubewertung meines Narrativs nach einem weiteren Jahr Integrationsgeschichte entscheidend. Dies ist nämlich die Achse der Vermessung des möglichen Zukunftsraumes der EU; zugleich ist es der Verhandlungsplatz der wissenschaftlichen und politischen Debatte, an dem ich mit meiner Deutung selbst in den Zukunftsdiskurs eintrete.

[27] Es erscheint nun in hohem Maße beliebig, oder gar ideologisch verbrämt, welches Bild man von der Zukunft zeichnet. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Wir können, anhand der bisherigen Forschung zur EU als vernünftig abgrenzbarem Rahmen dessen, was noch kommen kann, aber auch dessen, was auszuschließen ist, sowie der EU-Zukunftsforschung, einen rationalen Umgang mit derzeitigen Zukunftsbildern grundlegen.

[28] Tut man dies, kommt man zuerst zu dem Befund, dass aus der EU in nicht allzu ferner Zukunft ein gesamteuropäisches Netzwerk der Nationalstaaten werden könnte. In über sechs Jahrzehnten hat sich ein politisches Netzwerk gebildet , das bisher beständig wuchs. Der „Brexit“ lässt diesen Trend in modifiziertem Licht erscheinen, zugleich jedoch suchen die Nicht-Mitglieder unter den Balkanstaaten nach wie vor die Beitrittsperspektive.

[29] Zweitens lässt sich vermuten, dass die Union zu einem gleichsam gesamteuropäischen Kulturraum werden könnte. Durch die „Kontinentalisierung“ (Lützeler) verschmelzen Vorstellungen von Gesamteuropa und Europa in der EU zusehends. Auch hier bringen aktuelle Desintegrationsfragen neue Aspekte ein.

[30] Bis in die 1990er-Jahre war tendenziell eine Spaltung der Debatte in eine integrationseuropäische und eine gesamteuropäische Identitätsschiene gegeben. Greift man den vorherigen Punkt auf, kommt man für die zukünftige Identitätsgeschichte zu der Vermutung, dass, drittens, die EU zu einer kontinentalen Identitätsträgerin werden könnte.

[31] Viertens: In der Tendenz entwickelte sich die Integrationsgeschichte so, dass das europäische Menschenrecht immer stärker für alle EuropäerInnen Schutz bietet. Für die Zukunft könnte davon auszugehen sein, dass sich die EU zu einem kontinentalen europäischen Raum der Menschenrechte entwickelt. EMRK und Grundrechtecharta sind hier auch im Rahmen des „Brexit“ als noch wirksame Visionsträger zu sehen.

[32] Ein fünfter und letzter, aber entscheidender Punkt: Kulturell hat die EU einen eigenen systemischen und strukturellen Charakter. Man kann dies metaphorisch, wie dies der Forschungsstand auch tut, am besten mit dem postmodernen Bild des „Rhizoms“ (Deleuze/Guattari), dem Wurzelnetzwerk eines Strauchs oder Baums, versinnbildlichen. Die Kultur der EU kann auf unendlich vielen unterschiedlichen Weg durchschritten werden und ist an den Rändern offen. Sie kann sowohl wachsen als auch im Umfang abnehmen. Die EU könnte daher zukünftig zur Realisierung der Vision und Utopie des Rhizoms werden.

[33] Die EU könnte also die Kontinentalisierung Europas in der (15) Politik, (16) Kultur, (17) der Identitätskonstruktion und (18) im Menschenrecht bringen. Der strukturelle Rahmen dieses Zukunftsbildes liegt (19) in der möglichen Realisierung der Utopie des Rhizoms in EUropa. Dies sind fünf thesenhafte Vermutungen zur Zukunft der EU, die die Fragen nach der Identität („Was ist die EU?“) und Nicht-Identität („Was ist die EU nicht?“) perspektivisch gewichten.

Weiterführende Überlegungen

[34] Damit habe ich die genannten drei Achsen des Nachdenkens durchschritten. Und zwar nochmals durchschritten nach einem scheinbar historisch entscheidendem Jahr 2016, das mit dem „Brexit“-Votum erstmals die Integration rückwärts zu laufen lassen schien, also Desintegration nahelegte.

[35] Kulturgeschichtlich entscheidend ist nicht, dass die Desintegration noch gar nicht vollends Form angenommen hat, sondern dass das Ereignis die Zukunftsbilder der EU erschüttert – und damit auch ihre Vergangenheit. Wenn wir für die Zukunft erwarten müssen, dass die EU vielleicht kleiner wird, oder im schlechtesten Fall gar zerfällt, dann bedeutet dies nicht nur eine andere Erwartungshaltung, sondern zu erwartend ebenso eine stark veränderte Forschungshaltung der Kulturgeschichte der EU.

[36] Sie wird wahrscheinlich noch viel stärker als bisher nach „Desintegrationsereignissen“ suchen, konfliktuösen Symptomen wie Debatten (etwa die Position der EU zum Irakkrieg George W. Bushs; die Kontroversen um den Institutionenbau; die Debatten um neue Kommissions- und ParlamentspräsidentInnen), politischen Zerwürfnissen und Krisen (die „Sanktionen“ gegenüber Österreich um die Jahrtausendwende; die „Griechenlandkrise“) usw. höheren Gehalt beimessen. Möglicherweise überhaupt die Geschichte der EU schon als bisherige teilweise „Desintegrationsgeschichte“ in Form einer „Streitgeschichte“ verändert wahrnehmen.

[37] Dieser sich abzeichnende Perspektivenwechsel erscheint mir explizit nicht als Paradigmenwechsel. Schon bisher warnte die Kulturgeschichte davor, eine Teleologie notwendiger historischer Integration anzunehmen. Er lässt jedoch mein Fazit aus dem Jahre 2016 („Je mehr Europa desto besser!“) historisch schärfer hervortreten. Meine genannte Bestimmung des positiven Charakters der EU als Kulturgemeinschaft, meine Argumente (1) – (7), wird durch diese Entwicklung nicht essentiell negativ betroffen; im Gegenteil: die zu würdigende Wertschätzung des Schon-Gehabten in der EU tritt noch präziser hervor.

[38] Ähnlich verhält es sich mit meinen Argumenten (8) – (14) zur negatorischen Bestimmung der Kulturgemeinschaft der EU. Sie bestimmen, was die EU nicht ist, und gerade hierdurch bleiben sie im Perspektivenwechsel orientierungswirksam. Gerade dieses (konservative?) Weiterbestehen dieser Thesen als Antwort auf die Frage „Was ist die EU nicht?“ erscheint mir als Möglichkeit, diesen Blickwechsel zu begleiten.

[39] Entscheidend ist die Antwort auf die dritte Frage nach der Zukunft der EU, im Lichte der Entwicklungen seit 2016. Ich habe hierzu meine Argumente und möglichen Zukunftsimaginationen als Thesen (15) – (19) formuliert. Zwischen der Formulierung meines Fazits vom Februar 2016, jenem heute beinahe anrüchig erscheinendem „Je mehr Europa, desto besser!“, und dem März 2017, liegt vor allem der „Brexit“, der unsere Zukunft zu verändern scheint.

[40] Er bohrt scheinbar das Europa-Ganze des Rechts, der Kultur, der Wirtschaft, der Identität an – er nimmt diesem Ganzen und Gesamten immer ein Stück Zukunft weg; so scheint es jedenfalls zu sein. Diese nagende Angst und Unsicherheit ist das Fragezeichen, mit dem ich mein Fazit zugleich ausgestattet habe. Ist dieses nun stehen zu lassen, das Ausrufezeichen gar überhaupt zu tilgen?

[41] Ich denke nicht. Nicht nur, dass das zivilgesellschaftliche EU-Engagement ein „Revival“ erfährt, vielmehr ist das Fragezeichen in paradoxer Weise die Bestätigung des Rufzeichens. Wenn wir EUropa im Bild als Rhizoms begreifen – sich konstant ändernd, offen, wachsend oder auch „schrumpfend“ –, dann ist das Fragezeichen der reflexive Modus, in dem wir das Ausrufezeichen zu denken haben. Es schärft unseren Blick auf den Form annehmenden Zukunftsdiskurs – fragend und dekonstruierend, wertschätzend und würdigend, tastend und suchend. Wie EUropa nun einmal ist.

Dokumentation:

Foto: Aufsteller vor dem Informationszentrum Europe Direct Bremen, Deutschland, 9. Februar 2017. Foto: Peter Pichler

Download der deutschen Version des „Weißbuches zur Zukunft Europas“: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-385_de.htm; Dateiname: Weissbuch zur Zukunft Europas.pdf.

Peter Pichler: EUropa. Was die Europäische Union ist, was sie nicht ist und was sie einmal werden könnte. Mit einem Vorwort von Erhard Busek. Graz 2016.

CV Dr. phil. Peter Pichler:

2001 – 2006 Studium der Geschichte; Medien und Philosophie in Graz und Mainz; 2009 Promotion in Zeitgeschichte in Graz; Arbeitsschwerpunkte in der Kulturgeschichte der Europäischen Union, der Kulturgeschichte von Heavy Metal sowie der Philosophie und Theorie der Kulturgeschichte; 2004 – 2012 Lehrbeauftragter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Rechtsgeschichte der Universität Graz; seit 2014 Publikations- und Forschungsprojekt zur Kulturgeschichte von Heavy Metal www.peter-pichler-stahl.at; zahlreiche internationale Publikationen und Vorträge in den genannten Bereichen.

Empfohlene Zitierweise (die Absätze sind in eckigen Klammern für Zitationszwecke nummeriert):

Peter Pichler: Kulturgeschichte und Zukunft der Europäischen Union: je mehr Europa, desto besser?!. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, wolfgangschmale.eu/peter-pichler-europaeische-union, Eintrag 07.03.2017 [Absatz Nr.].

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