Die europäische Museumslandschaft ist sehr reich und vielfältig, oft haben zeitgemäße museumspädagogische Konzepte Einzug gehalten. Die großen Kunstmuseen versuchen, dem Eindruck lediglich vollgestopfter Bilder- und Skulpturensäle mit neuen Konzepten für die Dauerausstellungen entgegen zu wirken, indem bestimmte Detailperspektiven wie Körper, Erotik, Fauna und Flora usw. usf. nach vorne auf die Bühne geholt werden oder indem ältere Kunst mit zeitgenössischer Kunst konfrontiert wird.
Die früheren Kolonial- bzw. Völkerkundemuseen wurden und werden bearbeitet, Genderaspekte erhalten mehr Gewicht. Zweifellos tut sich einiges – und dennoch werden kritische Aspekte, die im öffentlichen Diskurs längst verankert sind, immer noch eher marginal inkludiert, so marginal, dass es kaum einen Museumsbesuch gibt, der nicht auch Momente des Unbehagens zeitigt.
Bezüglich der früheren Kolonial- und Völkerkundemuseen haben vielfach Umbenennungen stattgefunden: In Wien gehen wir nun ins „Weltmuseum“, in München ins Museum „Fünf Kontinente“, in Tervuren bei Brüssel ins „Africamuseum“ und so fort.
Die kolonialkritischen Debatten und die Debatten über Restitution finden ihren Niederschlag, aber mir scheint – das ist mein persönlicher Eindruck –, dass es oft nur halbherzig bzw. mit wenig Elan geschieht. In Tervuren wurde viel in die historisch-kulturelle sowie wissenschaftliche Kontextualisierung der Ausstellungsobjekte investiert, in München gibt es davon wenig, in Wien wieder etwas mehr. Manche Ausstellungsräume bleiben vollgestopft und erinnern sehr stark an all die Magazinräume der Museen mit Tausenden, manchmal bis zu mehr als einer Million Objekten, die nie ausgestellt und erklärt wurden, worin sich die gesamte Sinnlosigkeit des kolonialen Raubens und Erschleichens von Objekten manifestiert.
Der Titel des Buches von Bénedicte Savoy (2021) „Afrikas Kampf um seine Kunst. Geschichte einer postkolonialen Niederlage“ trifft nicht nur auf die bundesdeutschen befremdlichen Haltungen zu, sondern geht einem beim Gang durch dieses oder jenes ehemalige Kolonial- und Völkerkundemuseum permanent durch den Kopf.
Die berühmten Kunstmuseen quellen über von Gemälden, deren Beschriftungen fast immer zu wünschen lassen. So hängt in der Alten Pinakothek in München ein ausgesprochen rassistisches Gemälde von Rubens, betitelt als „Der trunkene Silen“. Weder die Beschriftung im Saal noch die „Erklärungen“ auf der Homepage der Alten Pinakothek erwähnen den rassistischen Inhalt, obwohl rassistisches Denken und Handeln in der Frühen Neuzeit längst breit in der Forschung – auch in der Kunstgeschichte – thematisiert wird.
Die Forderung lautet nicht, Bilder abzuhängen, sondern sie kritisch zu kontextualisieren und zu erklären, zu sagen, was gesagt werden muss.
Dahinter steht die große Frage, warum Menschen in welche Museen gehen sollen. In vielen Museen beschleicht einen das Gefühl, weniger – dafür mit mehr kritischer Kontextualisierung – wäre mehr.
Ich will keineswegs den Aufwand verkennen, den es braucht, um weniger zu zeigen, weil dies bedeutet, öfter die Objekte zu wechseln, die zudem kritisch zu kommentieren sind. Doch was sollen die Besucher*innen vom Museumsbesuch mitnehmen?
Neulich ging ich durch den Prado – eine wunderbare Fülle, zugleich erschlagend und ermüdend. Der Prado macht daher, wie andere Museen auch, das Angebot, einen bestimmten Themenpfad zu wählen, im konkreten Fall Frauen auf den Gemälden und Frauen, auf die Teile der Sammlungen des Prado zurückgehen. Ohne diese Frauen der Frühen Neuzeit wäre der Prado nur ein Schatten dessen, was er tatsächlich ist.
Andernorts, z. B. in Stockholm, werden Künstlerinnen selbstverständlich gleichberechtigt mit Künstlern ausgestellt. In vielen Museen geschieht das immer noch nicht bzw. nur im Rahmen von Sonderausstellungen – wie im Januar 2023 im Münchner Lenbach-Haus „Kunst und Leben“ und in der Wiener Ausstellung zum „Hagenbund“ im Museum Leopold.
Ein kritisches Thema durch eine Sonderausstellung bewusst zu machen, ist willkommen; danach sollte aber das Besondere, das nur deshalb als etwas Besonderes erscheint, weil wir gelehrt wurden, es nicht zu sehen, in die Dauerausstellung integriert werden.