Vom EU-Bürger zum EU-Ausländer
[1] Kaum hatte David Cameron am 19.2.2016 in Brüssel die Tür des Gebäudes des Europäischen Rates nach draußen Richtung Vereinigtes Königreich durchschritten, hieß es schon in Österreich, man könne sich eine Beschränkung der Sozialleistungen für „EU-Ausländer“ vorstellen.
[2] Aus dem EU-Bürger ist der EU-Ausländer geworden.
[3] Nicht nur in Österreich.
[4] Das Rad der Geschichte wird zurückgedreht.
[5] Einer der großen Vorteile der EU ist der Status als EU-Bürgerin oder EU-Bürger. Dies ist gekoppelt an das Verbot der Diskriminierung. Mit der Veränderung des Lebensmittelpunktes innerhalb der EU musste man sich bisher nicht mehr die Frage stellen, ob man nicht auch besser die Staatsbürgerschaft wechseln solle. Man war EU-Bürgerin oder EU-Bürger, nicht „Ausländer“.
[6] Gegenüber Menschen aus nicht-EU- bzw. EWR-Ländern bestanden rechtliche Schlechterstellungen (=Diskriminierungen) fort. Altbekannte Stereotypen und Vorurteile gegenüber „Ausländern“ wurden mindestens hier ausgelebt und gepflegt, wach gehalten, sozusagen vorgehalten für den nächsten größeren Einsatz. Dieser ist jetzt da, die „EU-Ausländer“ werden ins Visier genommen.
[7] Gern wird nunmehr auch von „EU-Immigranten“ gesprochen; gemeint sind die EU-BürgerInnen.
[8] Die beharrliche Arbeit der Annäherung von Jahrzehnten wird mit dem Auswechseln der Begriffe zerstört. Das geht unerwartet schnell.
[9] PolitikerInnen geben vor, im „nationalen Interesse“, im „Interesse ihres Volkes“ zu handeln. Dass sie tatsächlich das Gegenteil davon tun, weil sie die Expertise all derer, die sich mit den daran hängenden Problemstellungen professionell befassen, ignorieren, ist das eine; dass sie aber immer noch oder wieder mit einem mindestens implizit ethnischen (rassistischen?) Begriff von „Volk“ arbeiten, ist das andere, das Schlimmere.
[10] „So fängt das Schlimme an“ – dieser Titel eines Romans von Javier Marías trifft es, was derzeit wieder passiert.
Empfohlene Zitierweise (die Absätze sind in eckigen Klammern für Zitationszwecke nummeriert):
Wolfgang Schmale: Vom EU-Bürger zum EU-Ausländer. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, wolfgangschmale.eu/vom-eu-buerger-zum-eu-auslaender, Eintrag 26.02.2016 [Absatz Nr.].