Heute, am 13. September 2023, hat Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission zum letzten Mal in der laufenden Amtszeit ihre Rede zur Lage der EU gehalten.
In den Vorjahren habe ich diese Rede meistens einigermaßen zeitnah auf der EU-Seite nachgelesen und vielleicht ins Video hineingehört. Manchmal habe ich dazu einen Blogeintrag verfasst wie zur letzten solchen Rede von Jean-Claude Juncker im Jahr 2018.
Dieses Jahr bin ich der Einladung der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik gefolgt, im Rahmen ihres „Europa Club Live“ die Rede im Livestream im Haus der Europäischen Union mitzuverfolgen. Direkt im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion statt, an der der Vertreter der EU-Kommission in Wien, Martin Selmayr, der ukrainische Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets, und weitere Persönlichkeiten teilnahmen.
Der als Veranstaltungssaal genutzte überdachte Lichthof des Gebäudes war bis auf den letzten Platz besetzt, mehr als die Hälfte des Teilnehmer*innen waren jung, viele waren Schüler*innen. Es passte insoweit auch vor Ort, dass die Kommissionspräsidentin zu Beginn ihrer Rede die jungen Generationen in der EU ansprach.
Diese jährliche Rede zur Lage der EU wird international mitverfolgt, sie ist wichtig, aber es macht viel Sinn, sie vor Ort gemeinsam in einem Ort der EU, dem Haus der Europäischen Union, zu verfolgen.
Die Kommissionspräsidentin stellte ihre Rede in die Perspektive einer andauernden historischen Herausforderung – was angesichts des Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine, der Bekämpfung des Klimawandels und vieler Probleme und Krisen mehr eine zutreffende Perspektivierung darstellt.
Bei den 2024 anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament wird in den EU-Ländern, in denen das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren gilt, die Generation 2008, einem zentralen Jahr in der Finanzkrise, an die Wahlurnen gehen können: Die Finanzkrise eröffnete den Reigen großer Krisen, der bis heute anhält.
Ursula von der Leyen sprach den Green Deal an, den Krieg gegen die Ukraine, die Herausforderungen der Digitalisierung, den Welthandel zu fairen Wettbewerbskonditionen und etliche Themen mehr, die die alltägliche Berichterstattung aus Brüssel bestimmen.
Im letzten Teil der Rede machte die Präsidentin das Thema der EU-Erweiterung (Westbalkan, Ukraine, Moldau) stark, sprach auch Georgien in dem Zusammenhang an. Sie betonte die Notwendigkeit, den EU-Vertrag für eine noch größere EU anzupassen. Dieser Punkt war deutlich und eindringlich.
Sie würdigte die Fortschritte in der Ukraine bei der Vorbereitung auf den Beitritt. Was die im einzelnen nicht angesprochenen Defizite anderer Beitrittskandidaten implizit nur um so deutlicher hervortreten ließ. Tatsächlich zeigt die Ukraine, wie es aussieht, wenn die Vorbereitung des EU-Beitritts energisch angepackt wird, sodass kein Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Beitrittswillen aufkommt.
Die Rede konzentrierte sich auf das, was getan und erreicht wurde, es wurden die noch nicht abgeschlossenen Projekte benannt und mit der Erweiterungsfrage ein Ausblick auf die nächste Funktionsperiode gegeben. Es gab mehrere kritische Einschlüsse, die, ohne dass Namen genannt wurden, klar zu verstehen waren und im Parlament mit Beifall bedacht wurden.
Die geostrategischen Bedrohungen und Herausforderungen, denen sich die EU gegenüber sieht, sind groß, die EU-Kommissionspräsidentin vermittelte den Eindruck, dass sich die gesamte EU inzwischen darauf eingestellt hat und die Prioritäten nun anders setzt als vor nicht allzu langer Zeit, wo die Beschäftigung mit sich selbst bis an die Grenze der Albernheit ausgelebt wurde.