Vor kurzem erschien die 6. Auflage des bewährten Datenschutzhandbuchs von Tinnefeld, Buchner, Petri und Hof. Es gehört in jeden Haushalt. Die Affäre um den Datenmissbrauch bei Facebook durch Cambridge Analytica (aufgedeckt März 2018) hat – wieder einmal – klar gemacht, dass das Thema Datenschutz jede/n betrifft.
[1] Der Titel „Einführung in das Datenschutzrecht“ hört sich fachjuristisch an und freilich wendet sich das Handbuch zuerst einmal an Studierende und PraktikerInnen, aber angesichts der essentiellen Bedeutung von Datenschutz für jeden Einzelnen gehört es eigentlich in jeden Haushalt. Das kann auch funktionieren, da das Buch relativ allgemeinverständlich geschrieben und klar nach Betreff gegliedert ist. Jede/r kann schnell herausfinden, inwieweit sie oder er betroffen und welche Rechtslage gegeben ist.
[2] Die umfassende individuelle Betroffenheit wird eindrucksvoll und umfassend im ersten, über 200 Seiten umfassenden Kapitel von Marie-Theres Tinnefeld vor Augen geführt, das neben vielen anderen Aspekten eine kulturgeschichtliche Einordnung der Möglichkeiten und Folgen von Datenerhebung, Datenverarbeitung, Datengebrauch und Datenmissbrauch vornimmt.
[3] Vorgeschaltet ist ein Prolog (Tinnefeld), in dem sechs aktuelle Aspekte dargelegt werden: Big Data und neue Bilder vom Menschen; Big Data; Hirnforschung; Algorithmen; Drohnen; Grund- und Menschenrechte. Die neuen Entwicklungen bergen zweifellos große Chancen für die Verbesserung der Lebensqualität in vielen Bereichen, zugleich eröffnen sie zahlreiche Optionen für den Missbrauch. Deutlich erkennbar ist die Gefahr, dass der Mensch mittels umfassender Datenerhebung vom autonomen, in Freiheit selbstbestimmten Subjekt zum Objekt wird, das vorwiegend in Gestalt von Daten existiert.
[4] Datenschutz und Informationsfreiheit sind Bestandteil der Menschenrechte, ohne sie ist im 21. Jahrhundert kein menschenwürdiges Leben möglich. Die EU hat inzwischen die Datenschutzgrundverordnung verabschiedet, die neben anderen internationalen und rechtlich verbindlichen bzw. als Leitlinie gedachten Dokumenten eine zentrale in dem Buch einnimmt. Damit ist auch der Untertitel erklärt: „Datenschutz und Informationsfreiheit in europäischer Sicht.“
[5] Datenschutz schützt in erster Linie die Daten, die über den Einzelnen entstehen bzw. erhoben werden, er setzt dem Datensammeln und der Speicherung Grenzen, er regelt die Ansprüche an Datensicherheit, er regelt die Verwendbarkeit der Daten. Der Status als Menschenrecht wie auch die Gewährleistung der Informationsfreiheit des Einzelnen, die sich nicht nur auf die eigenen Daten, sondern auch auf die öffentlicher und anderer Stellen bezieht, wie auch die Schutzbedürftigkeit von Daten aus den verschiedensten Gründen sind stets abzuwägen. Legitimes Interesse der Allgemeinheit (z. B. Terrorbekämpfung) wie legitimes Interesse des Einzelnen (Schutz der Privat- und Intimsphäre) können leicht in Konflikt geraten.
[6] Das Kapitel 1 macht deutlich, dass es eines ständigen Abwägungsprozesses durch den Gesetzgeber und durch die Gerichte bedarf, dessen Entwicklung im Verlauf der Jahrzehnte zugleich dokumentiert und interpretiert werden muss, um Gefahren für den Erhalt des Menschenrechts auf Datenschutz und -sicherheit rechtzeitig erkennen zu können. Das eigentliche Dilemma liegt freilich darin, dass sich Politik immer wieder verführen lässt, ein Sicherheitsversprechen zu geben, das auf der breiten Anwendung von Instrumenten wie der Vorratsdatenspeicherung und umfassenden Videoüberwachung beruht, in Wirklichkeit aber nicht gehalten werden kann, weil das tatsächliche Verhalten konkreter Gefährder eben nicht errechnet oder aufgrund von erhobenen Daten vorhergesagt werden kann. Sicherheit, für die die Freiheit aufgegeben oder nachhaltig eingeschränkt wird, ist keine Sicherheit.
[7] Grundsätzlich bestehen mittlerweile umfassende rechtliche Regelungen, die Daten schützen, wie Kapitel 2 (Benedikt Buchner) sehr übersichtlich zeigt. Da heute fast jede/r, im Grunde auch als Privatperson, Daten erhebt, nicht nur über sich selbst, lohnt sich jeder Blick in dieses Kapitel, um zu lernen, worauf beim Datenschutz zu achten ist. Dies stärkt außerdem die eigene Kompetenz bei der Beurteilung, inwieweit Andere Datenschutzbestimmungen einhalten oder nicht.
[8] Zweifellos liegt der Fokus auf der „Datenverarbeitung im öffentlichen Interesse“ (Kapitel 3, Thomas Petri), weil es dabei immer auch um die Ausübung des Gewaltmonopols des Staates geht, die in Missbrauch abgleiten kann, aber der „nicht-öffentliche Bereich“ (Kapitel 4, Benedikt Buchner) ist ja nicht weniger umfassend. Die meisten Daten geben Menschen im nicht-öffentlichen Bereich von sich ab, vorwiegend, um scheinbar kostenlose Dienste – die eigenen Daten sind Währung und Preis – zu nutzen.
[9] Hier hat sich eine Ökonomie entwickelt, die nur funktioniert, weil man bereit ist, sich durch die Preisgabe von personenbezogenen Daten in ein digitales Objekt zu transformieren. Inzwischen kann man sich durch entsprechende Browsereinstellungen etc. besser schützen, teilweise führt dies aber zu Einschränkungen bei der Suche nach Informationen oder bei der Teilhabe an Netzwerken. Wer sich schützen will, wird ggf. abgestraft.
[10] In Kapitel 5 befasst sich Hans-Joachim Hof mit allen Aspekten der IT-Sicherheit und führt den in den anderen Kapiteln ebenfalls entwickelten Gedanken des Datenschutzes durch Technik weiter. Apps beispielsweise hat inzwischen jede/r, aber auch das Internet der Dinge oder Fahrerassistenzsysteme betrifft beinahe schon jede/n. Wer hat nicht schon einmal seine Kreditkartendaten beim Einkauf im Internet mitgeteilt? Das Kapitel informiert sowohl über die technischen Schutzmöglichkeiten wie auch über die technischen Möglichkeiten des Missbrauchs wie hacken oder cracken.
[11] Damit ist auf das Eingangsstatement zurückzukommen: Dieses Buch macht in jedem Haushalt Sinn. Die Darstellung wird durch eine Vielzahl praktischer Beispiele ergänzt, die zeigen, was der lebensnahe Hintergrund einer Rechtsnorm ist bzw. wie sich diese in der Praxis auswirkt.
Dokumentation: Marie-Theres Tinnefeld, Benedikt Buchner, Thomas Petri, Hans Joachim Hof: Einführung in das Datenschutzrecht. Datenschutz und Informationsfreiheit in europäischer Sicht. 6., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin/Boston: Walter de Gruyter, 2018, 536 Seiten (ISBN 978-3-11-041672-5).