[1] Die Ausstellung zur Geschichte der Freimaurer im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek nimmt das Jahr 1717 als Ausgangspunkt, in dem die Londoner Freimaurer-Großloge gegründet wurde.
[2] Die Freimaurerei gehört zu den Bändern, die sich durch die vergangenen 300 Jahre ziehen. In gewissem Sinn stellt sie mehr als anderes ein in unserer Zeit lebendig gebliebenes 18. Jahrhundert dar, da sich die freimauererischen Ideale der Menschenfreundlichkeit und Toleranz nicht geändert haben.
[3] Die Freimaurerei hängt zweifellos mit der Aufklärung zusammen, stellt aber weniger deren Kind als ein Elternteil dar. Jedenfalls ist sie bereits in der Frühphase der Aufklärung präsent. Obwohl auch etliche Herrscher Freimaurer waren (Friedrich II., Kaiser Franz Stephan von Habsburg-Lothringen, Joseph II. usw.), wurde die Freimaurerei bereits im 18. Jahrhundert nicht von Verboten und Verfolgungen verschont.
[4] Schon in der Französischen Revolution entstand aus reaktionärer politischer Sicht eine Art schwarzer Legende, jene von der Verschwörung der Freimaurer gegen das legitime Königtum und die monarchische Herrschaft.
[5] Seitdem sind solche Verschwörungstheorien nicht aus der Welt zu kriegen. Sie wurden immer wieder hervorgeholt, unter anderem im 20. Jahrhundert von Faschisten und Nationalsozialisten sowie Personen aus deren geistigem Umfeld. Meistens gingen die Verschwörungstheorien eine Verbindung mit dem Antisemitismus ein.
[6] Fakt ist, dass Freimaurer und Freimauerinnen vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern (Italien, Spanien, Frankreich vor allem) einen großen Anteil an der politischen Modernisierung hatten. Damit ist die Demokratisierung von Politik und Gesellschaft gemeint.
[7] Der Höhepunkt der Freimaurerei wurde in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen erreicht. In Europa gab es mehrere Hunderttausend Mitglieder, in den USA über 2 Millionen. Logen gab es weltweit.
[8] Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht gab es schon früh Freimaurerinnen. Im 18. Jahrhundert wurden sie von Freimaurern „adoptiert“, es wurden im Lauf der Zeit aber auch gemischte Logen gegründet. Darunter ist vor allem die, in Frankreich im späten 19. Jahrhundert gegründete, Loge „Le Droit Humain“ zu nennen, die nicht nur gemischtgeschlechtlich, sondern von Anfang an transnational organisiert wurde.
[9] Wir finden in der Zwischenkriegszeit viele FreimaurerInnen, die sich zum Beispiel für und in den damals gegründeten Menschenrechtsligen engagierten, die sich für die gleichen politischen Rechte für Frauen und Männer einsetzten, und vieles mehr.
[10] Obwohl die Freimaurerei von ihrer Begründung an aufgrund ihrer grundlegenden Ideale, die überall gelten, und dies im Prinzip unabhängig von der Obödienz, einen kosmopolitischen und globalen Charakter besaß, setzte sich eine stark national geprägte Ausformung durch, die sich ebenfalls im Nationalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verhedderte.
[11] Dies hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg verändert und zum Besseren gewendet. Bis heute ist die Freimaurerei lebendig und sozial-konstruktiv in ihrem Wirken geblieben.
[12] Diese und andere Eckpunkte der Geschichte der Freimaurerei können anhand der Objekte der Ausstellung nachverfolgt und nachvollzogen werden. Inhaltlich bildet die österreichische Freimaurerei einen Schwerpunkt, aber es wird immer wieder über den Tellerrand geschaut. Der Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek stellt einen Rahmen zur Verfügung, wie es besser nicht sein könnte – zumal natürlich die ÖNB Objekte aus den eigenen Beständen beisteuern konnte wie vier kolorierte Kupferstiche (ca. 1794) mit Szenenbildern zur Zauberflöte von Mozart.
[13] Einen Anriss der Ausstellung bietet die ÖNB auch über Google Arts & Culture. Der Ausstellungskatalog mit den Begleitessays ist gut gelungen und der Mühe wert.
[14] Was zu kurz kommt, sind die Spaltungen und Divergenzen innerhalb des Freimaurertums, auch wenn sie nicht fehlen. Aber diese haben doch einige Energie gebunden und die Bemühungen, die Freimaurerei international besser zu organisieren, erheblich behindert.
[15] Der Umstand, dass im Lauf der drei Jahrhunderte immer wieder prominente Namen aus Politik, Gesellschaft und Kulturbetrieb auftauchen, facht die Theorien über die Bildung unerwünschter Interessengemeinschaften mit starkem Einfluss auf die Geschicke eines Landes immer wieder an. Am Beispiel des ORF, bei dem ab den 1950er Jahren etliche Freimaurer tätig waren, zeigt die Ausstellung sehr anschaulich, wie diese Theorien zustande kommen können, zugleich wird am Beispiel gut dargelegt, dass es damit in Wirklichkeit nichts auf sich hat. Die idealistische Grundhaltung führte FreimauererInnen in viele Felder, wo sie sich engagierten.
[16] Die Ausstellung besitzt eine übersichtliche Größe, sodass man sich für die einzelnen Ausstellungsobjekte und die Erläuterungen schön Zeit nehmen kann. Am Schluss ist man beinahe erstaunt, wie viele Aspekte und Facetten die Ausstellung aus der Geschichte der Freimaurerei anspricht.
Dokumentation:
Ausstellungskatalog: 300 Jahre Freimaurer. Das wahre Geheimnis. Wien, ÖNB/Metroverlag 2017 (ISBN: 978-3-99300-305-0) (29,90 Euro)
Empfohlene Zitierweise (die Absätze sind in eckigen Klammern für Zitationszwecke nummeriert):
Wolfgang Schmale: Freimaurer. Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Wolfgang Schmale: Blog „Mein Europa“, wolfgangschmale.eu/freimaurer, Eintrag 01.08.2017 [Absatz Nr.].