Vor kurzem wurde in Brüssel das „House of European History“, ein Projekt des Europäischen Parlaments, eröffnet. Neben der Dauerausstellung sind jeweils temporäre Ausstellungen vorgesehen. Derzeit wird die Ausstellung „Interactions – Centuries of Commerce, Combat and Creation“ gezeigt.
Bisher war man von der EU gewohnt, dass mit einem einfachen Masternarrativ gearbeitet wird. Ein paar Gründerväter hatten tolle Ideen, die umgesetzt wurden. Die Europäische Integration ist eine große Fortschrittsgeschichte. In die Präambel des Vertrags über die Europäische Union und in die Grundrechtecharta wurde ein Bezug auf das europäische kulturelle, religiöse und humanistische Erbe eingebaut, woraus Menschenrechte, Demokratie usw. hervorgegangen seien.
Solche Meistererzählungen entziehen sich einem wissenschaftlichen Kommentar.
Umso positiver sticht die erste temporäre Ausstellung des Hauses der Europäischen Geschichte hervor! Das Konzept europäischer Geschichte ist eng mit jenem von „Europäische Geschichte Online“ (am Leibniz Institut für Europäische Geschichte, Mainz) verwandt.
Erzählt werden Geschichten aus Migration, Mobilität, Kontakten, Verflechtungen, Vernetzungen, kulturellen Transfers und Austauschprozessen in einer globalen Perspektive. Die Ausstellung ist sehr didaktisch designt und enthält viele Stationen, an denen Besucher_innen interaktiv beteiligt werden.
Im begleitenden Katalog finden sich Grundlagenessays (z.B. Kulturkontakt – G. Delanty; Kulturtransfer – W. Schmale; Verhandlungen als Verhaltensmuster- C. Itzel; u.a.), Essays zur Didaktik und zu den einzelnen Ausstellungsthemen. Vieles wird dankenswerterweise gegen den Strich gebürstet. So werden etwa kriegerische Konfilkte und konkrete Schlachten auf ihre kulturell-interaktiven Wirkungen hin befragt.
Andere Felder, immer in der Perspektive der Interaktion, die weder schlicht positiv noch schlicht negativ eingeordnet wird, sind Kapital und Handel, Objekte, Essen und Düfte, die das Alltagsleben verändert haben, Spiele, Musik, Theaterspiel und weiteres mehr. Die hohe Politik – wie Friedensverhandlungen und die großen Kongresse – fehlt ebensowenig wie der Alltag, der nahe am einzelnen Menschen ist.
Im Grundsatz handelt es sich um ein gutes Konzept, das aktuelle Ansätze in den Geistes- und Kulturwissenschaften aufgreift. Was die temporären Ausstellungen angeht, kann man nur wünschen: „Weiter so!“
Katalog: House of European History (ed.): Interactions. Centuries of Commerce, Combat and Creation. Luxembourg: Publications Office of the European Union 2017 (ISBN9789282389294)